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Wie verkoste ich einen Wein?

Bei der Beurteilung eines Weins spielt die sensorische Erfahrung die Hauptrolle. Sensorik wird genau dann interessant, wenn man sich ein wenig intensiver mit Wein auseinandersetzen möchte und einem ein „Schmeckt mir“ oder „Schmeckt mir nicht“ nicht mehr ausreicht.

Veröffentlicht am 19. November 2020

Bei der Beurteilung eines Weins spielt die sensorische Erfahrung die Hauptrolle. Sensorik wird genau dann interessant, wenn man sich ein wenig intensiver mit Wein auseinandersetzen möchte und einem ein „Schmeckt mir“ oder „Schmeckt mir nicht“ nicht mehr ausreicht. Das Aussehen eines Weines, sein Duft, sein Geschmack und das Mundgefühl sind die vier Komponenten, aus denen sich eine Weinbeschreibung zusammensetzt. Auch braucht es beim Wein durchweg ein wenig Erfahrung, um die Wahrnehmung angemessen formulieren zu können: Eindrücke anderer Art lassen sich hingegen meistens leichter in Worte fassen.

Weiss, golden, rubinrot oder violett? Über das Aussehen eines Weines

Möchte man sich intensiver mit einem Wein beschäftigen, so betrachtet man ihn zunächst im Glas. Dabei hält man das Glas leicht schräg gegen das Licht oder gegen einen neutralen weissen Hintergrund. Farbe, Klarheit und Farbtiefe geben einen ersten Aufschluss über die Art des Weines, allerdings nicht über seine Qualität. Im Allgemeinen werden Weine filtriert, bevor sie gefüllt werden, sodass rund 97 % aller Weine klar sind. Sollte Ihnen ein trüber Wein begegnen, dann wird der Winzer das beabsichtigt haben; denn manche auf der Hefe ausgebauten Weine werden bewusst unmittelbar von dieser abgefüllt, sodass sich eine Trübung durch die Hefe ergeben kann. Solche Weine schmecken dann oft zusätzlich zu den anderen Komponenten auch etwas hefig. Man kennt das von einem noch unfertigen Wein, wie zum Beispiel dem Federweisser.

Die Farbe eines Weines erlaubt auch Rückschlüsse auf seine Art und auf sein Alter. Erscheinen Weine im Glas bräunlich, dürften sie zu den alten und gereiften Weinen gehören. Normalerweise bewegen sich junge Weissweine in einem Farbspektrum von Zitronengelb bis zu intensivem Strohgelb. Weissweine, die im Holz ausgebaut wurden, können auch ins helle Goldgelb changieren. Gereifte Weine und speziell Süssweine zeigen meist ein sattes Goldgelb.

Bei den Rotweinen erscheinen viele junge Weine oft in einem Violett. Etwas gereiftere Rotweine reichen von Rubinrot über Ziegelrot und Granatrot bis hin zu Braunrot. Bestimmte Sorten wie etwa Spätburgunder oder Garnacha verfügen über wenig Farbstoff und sind recht transparent. Tempranillo, Syrah oder Cabernet hingegen besitzen viel Farbstoff und erscheinen immer deutlich dunkler, was allerdings nichts mit der Kraft oder Intensität der Weine am Gaumen zu tun hat. Beim Rosé schliesslich hat die Farbintensität viel mit der Zeit zu tun, in der der Rebensaft Kontakt mit den Schalen hatte. Sehr helle Rosés wurden schnell abgepresst, intensiven Rosados hat man mehr Zeit gegeben. Auch hier hat die Farbe nichts mit der Qualität, sondern eher mit der Stilistik des Weines zu tun.

Die Vielfalt der Aromen

Haben Sie in letzter Zeit vielleicht an einer Handvoll Waldboden gerochen, an einer reifen Mango, oder ist Ihnen aufgefallen, wie es riecht, wenn ein ICE stark bremst? Sollte das der Fall sein, dann haben Sie Ihre Geruchs-Bibliothek um Noten ergänzt, die einem auch bei der Beurteilung eines Weines auffallen können. Denn um den Geruch eines Weines komplex analysieren zu können, sollte man sich im Laufe der Zeit genau solch eine Geruchs-Bibliothek angelegt haben. Die Beurteilung der Gerüche von Weinen ist zu einem grossen Teil mit Assoziationen verbunden. Dabei sind solche Assoziationen keine Einbildung. Tatsächlich verfügen Weine über Molekül-Verbindungen wie Mercaptane, Thiole, Methoxypyrazine usw., die auch in Obstsorten, Gemüsesorten und anderswo vorkommen.

Beginnt man beim Wein mit dem Riechen, sollte man vorher das Glas etwas schwingen und es dann leicht schräg unter die Nase halten. Im Idealfall sollte man vorher länger nicht geraucht und auch keine intensiven Aromen zu sich genommen haben. Auch sollte der Raum weitgehend geruchsfrei sein, um die Eindrücke nicht zu verfälschen. Auf diese Weise ergibt sich ein klarer Duft. Die erste Frage wäre nun, ob der Duft sauber und frei von Fehltönen ist. Aber was ist ein solcher Fehlton? Es kann ein sogenannter Korkfehler sein, bei dem der Wein dann nach unreifen Walnüssen und nasser Pappe riecht. Es kann aber auch eine krautige Note sein, ein bisschen was von Landwirtschaft, Knoblauch und Zwiebel, nasses Hundefell, Schwefel oder ein sogenanntes Mäuseln, wobei der Wein tatsächlich so riecht wie eine von Mäusen verunreinigte Garage. All das hat mit Fehlern während der Gärung zu tun, die heutzutage jedoch sehr selten vorkommen und die beispielsweise bei VINOS definitiv bei der Qualitätsprüfung erkannt würden. Korkfehler sind natürlich nicht auszuschliessen, da Kork ein Naturprodukt ist und es immer mal einzelne Ausreisser geben kann.

Die nächste Überlegung wäre, wie intensiv sich ein Wein präsentiert. Es gibt Weine, die nur ein ganz feines, zurückhaltendes Aroma haben, am Gaumen aber viel intensiver sind. Es gibt aber genauso Weine, die von Beginn an opulent sind. Und wenn der Wein duftet, woran erinnert dieser Duft? Man unterscheidet dann zwischen Primärfrucht, sekundären und tertiären Aromen. Die Primärfrucht ist jene Frucht, die noch deutlich vom Charakter der einzelnen Rebsorte geprägt ist. Zum Beispiel findet man bei Cabernet und Sauvignon Blanc anfangs sehr viele Moleküle, die sich Pyrazine nennen und die etwa grüne Noten wie Stachelbeere oder grüne Paprika in den Wein bringen. Dann gibt es Thiole, die für Maracuja-Noten sorgen, es gibt Terpene, die für Litchi, Rose oder Muskat verantwortlich sind, oder auch Rotundon, das für Pfeffer im Syrah sorgt. Bei den sekundären Aromen handelt es sich um Aromen, die während der Gärung entstehen. Dazu gehören zum Beispiel Butter, Hefezopf, Knallplättchen, Käse oder eingekochte Früchte. Tertiäre Aromen findet man erst, wenn der Wein einige Jahre gereift ist. Es sind Aromen der Alterung. Dazu gehören Leder, Asche, Herbstlaub, Honig, Kaffee, schwarzer Tee, Pilze oder auch Petrol.

Insgesamt kann man die Aromen einteilen in Blüten, Kräuter und Gewürze, Zitrusfrüchte, tropische Früchte, grünes und gelbes Obst, Steinobst und Kernobst, rote Beeren, dunkle Beeren und Trockenfrüchte. Neben der Frucht gibt es zudem steinige, erdige und laktische Noten, Gemüse und Holz.

Die Aromen im Duft und am Gaumen sind einander meist sehr ähnlich

All die im Geruch erwähnten Noten können sich auch am Gaumen finden, da dieser mit dem Geruchssinn eng verknüpft ist. Die Aromen, die man schmeckt, werden im Nasen-Rachenraum erkannt, also retronasal. Die Zunge schmeckt lediglich die groben Varianten süss und sauer, salzig, bitter und umami, jene herzhafte Geschmacksvariante, die positiv geschmacksverstärkend wirkt.

Entscheidend ist das Mundgefühl

Um die Güte eines Weines am Gaumen festzustellen, sind neben der Aromenvielfalt weitere Aspekte entscheidend. Es kommt hier auf die Struktur, die Textur, kurz gesagt, auf das Mundgefühl an, und es geht um Tiefe, Länge und Balance. Das heisst, dass man einen Wein neben dem Betrachten, Riechen und Schmecken auch fühlen kann. Ein Wein kann nicht nur fruchtig, kräutrig oder würzig sein, sondern auch cremig, schmelzig, saftig, weich oder samtig, karg oder druckvoll, scharf oder geradezu elektrisierend. Entscheidend für all diese Sinneseindrücke sind vor allem die Säuren, die Hefen und die Gerbstoffe, ferner der Restzucker und letztlich auch der Alkohol. Der schmeckt zwar grundsätzlich nach nichts, kann aber süss wirken, scharf und heiss. Säuren können ebenfalls scharf wirken, vor allem aber frisch und kühl. Ein Hefelager, also eine lange Verbindung des Weines mit seiner Hefe, sorgt für Schmelz oder Cremigkeit. Der Ausbau in neuem Holz führt sowohl zu Aromen von Eiche, Vanille, Rauch und Toast als auch zu einer veränderten Struktur und zu einem Mehr an Gerbstoffen. Diese Gerbstoffe stammen einerseits vom Holz, andererseits auch von den Schalen, mit denen vor allem Rotwein vergoren wird. Neben diesem Mundgefühl, zu dem auch die Wahrnehmung von etwaiger Kohlensäure gehört, die es vor allem beim Schaumwein gibt – ist sie sehr prickelnd, grob oder fein? –, spielen der Körper und die Länge eine grosse Rolle bei der Beurteilung eines Weines. Der Wein kann voll sein oder schmächtig, kann den Mund vollständig auskleiden oder auch präzise und linear über die Zunge laufen. Sicher kennen Sie manche Weine, die kurz und knapp sind und bei denen man nach dem Schlucken das Gefühl einer gewissen Leere empfindet. Andere Weine bleiben nach dem Schlucken noch Minuten präsent.

Fazit

Über Wein wird selten offen geredet. Viele Menschen trauen sich einfach nicht, weil sie wenig Erfahrung haben, das Verkosten von Wein oft einen elitären Habitus mit sich trägt und die Verkostungssprache einschüchtert. Also wird diese Kommunikation gerne den Experten überlassen. Diese haben zwar tatsächlich einen Vorteil gegenüber den meisten Weinliebhabern, weil sie häufig und strukturiert verkosten. Doch das sollte Sie nicht davon abhalten, auch in grösseren Runden zu eigenen Schlussfolgerungen zu gelangen. Empfindungen sind selten falsch. Es mag sein, dass Sie zu Beginn nicht den Aromen-Schatz präsent haben, über den langjährige Weinliebhaber verfügen. Doch das Aufzählen von Aromen ist nicht immer entscheidend bei der Bewertung eines Weines. Viel wichtiger ist die Balance am Gaumen – die Sinnlichkeit eines Weines, die Stimmigkeit des Mundgefühls zwischen Säuren, Gerbstoffen und Frucht, zwischen Kraft und Komplexität, Eleganz und Länge. All diese Empfindungen müssen durchweg nicht erlernt werden. Auf die kann man von Natur aus zurückgreifen. Und dennoch ist es interessant, seine eigenen Einschätzungen mit denen von Weinexperten zu vergleichen und dabei sein Weinwissen ein wenig aufzubessern. Nutzen Sie z.B. die Gelegenheit, bei einer unserer Online-Weinproben auf Facebook mitzumachen. Wir versprechen: Reinschauen lohnt sich ;)