Die Vielfalt der Aromen
Haben Sie in letzter Zeit vielleicht an einer Handvoll Waldboden gerochen, an einer reifen Mango, oder ist Ihnen aufgefallen, wie es riecht, wenn ein ICE stark bremst? Sollte das der Fall sein, dann haben Sie Ihre Geruchs-Bibliothek um Noten ergänzt, die einem auch bei der Beurteilung eines Weines auffallen können. Denn um den Geruch eines Weines komplex analysieren zu können, sollte man sich im Laufe der Zeit genau solch eine Geruchs-Bibliothek angelegt haben. Die Beurteilung der Gerüche von Weinen ist zu einem grossen Teil mit Assoziationen verbunden. Dabei sind solche Assoziationen keine Einbildung. Tatsächlich verfügen Weine über Molekül-Verbindungen wie Mercaptane, Thiole, Methoxypyrazine usw., die auch in Obstsorten, Gemüsesorten und anderswo vorkommen.
Beginnt man beim Wein mit dem Riechen, sollte man vorher das Glas etwas schwingen und es dann leicht schräg unter die Nase halten. Im Idealfall sollte man vorher länger nicht geraucht und auch keine intensiven Aromen zu sich genommen haben. Auch sollte der Raum weitgehend geruchsfrei sein, um die Eindrücke nicht zu verfälschen. Auf diese Weise ergibt sich ein klarer Duft. Die erste Frage wäre nun, ob der Duft sauber und frei von Fehltönen ist. Aber was ist ein solcher Fehlton? Es kann ein sogenannter Korkfehler sein, bei dem der Wein dann nach unreifen Walnüssen und nasser Pappe riecht. Es kann aber auch eine krautige Note sein, ein bisschen was von Landwirtschaft, Knoblauch und Zwiebel, nasses Hundefell, Schwefel oder ein sogenanntes Mäuseln, wobei der Wein tatsächlich so riecht wie eine von Mäusen verunreinigte Garage. All das hat mit Fehlern während der Gärung zu tun, die heutzutage jedoch sehr selten vorkommen und die beispielsweise bei VINOS definitiv bei der Qualitätsprüfung erkannt würden. Korkfehler sind natürlich nicht auszuschliessen, da Kork ein Naturprodukt ist und es immer mal einzelne Ausreisser geben kann.
Die nächste Überlegung wäre, wie intensiv sich ein Wein präsentiert. Es gibt Weine, die nur ein ganz feines, zurückhaltendes Aroma haben, am Gaumen aber viel intensiver sind. Es gibt aber genauso Weine, die von Beginn an opulent sind. Und wenn der Wein duftet, woran erinnert dieser Duft? Man unterscheidet dann zwischen Primärfrucht, sekundären und tertiären Aromen. Die Primärfrucht ist jene Frucht, die noch deutlich vom Charakter der einzelnen Rebsorte geprägt ist. Zum Beispiel findet man bei Cabernet und Sauvignon Blanc anfangs sehr viele Moleküle, die sich Pyrazine nennen und die etwa grüne Noten wie Stachelbeere oder grüne Paprika in den Wein bringen. Dann gibt es Thiole, die für Maracuja-Noten sorgen, es gibt Terpene, die für Litchi, Rose oder Muskat verantwortlich sind, oder auch Rotundon, das für Pfeffer im Syrah sorgt. Bei den sekundären Aromen handelt es sich um Aromen, die während der Gärung entstehen. Dazu gehören zum Beispiel Butter, Hefezopf, Knallplättchen, Käse oder eingekochte Früchte. Tertiäre Aromen findet man erst, wenn der Wein einige Jahre gereift ist. Es sind Aromen der Alterung. Dazu gehören Leder, Asche, Herbstlaub, Honig, Kaffee, schwarzer Tee, Pilze oder auch Petrol.
Insgesamt kann man die Aromen einteilen in Blüten, Kräuter und Gewürze, Zitrusfrüchte, tropische Früchte, grünes und gelbes Obst, Steinobst und Kernobst, rote Beeren, dunkle Beeren und Trockenfrüchte. Neben der Frucht gibt es zudem steinige, erdige und laktische Noten, Gemüse und Holz.
Die Aromen im Duft und am Gaumen sind einander meist sehr ähnlich
All die im Geruch erwähnten Noten können sich auch am Gaumen finden, da dieser mit dem Geruchssinn eng verknüpft ist. Die Aromen, die man schmeckt, werden im Nasen-Rachenraum erkannt, also retronasal. Die Zunge schmeckt lediglich die groben Varianten süss und sauer, salzig, bitter und umami, jene herzhafte Geschmacksvariante, die positiv geschmacksverstärkend wirkt.