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Wie Punkte helfen können

Wahrscheinlich kennen Sie das selbst, nicht wahr? Sie schauen sich eine Flasche an, die Ihnen unbekannt ist, und suchen ein wenig nach Orientierung, auch über das hinaus, was wir Ihnen auf Vinos an Informationen zum Wein und zu seiner Entstehung bieten können. Doch wie ist der Wein einzuordnen? Was macht ihn besonders, was haben Profis für eine Meinung? Oft hilft es, sich diese Infos bei Weinkritikern oder Weinjurys einzuholen. Manche Weinkritiker wie Robert Parker sind längst Legende, und die Zahl der verschiedenen Kritiker und Wettbewerbe ist gross. Deshalb sorgen wir nun für ein wenig Orientierung.

Veröffentlicht am 06. März 2023

Robert M. Parker, der Weinkritiker als Institution

Es war im Jahr 1978, als Robert M. Parker die erste Ausgabe seines Wine Advocate veröffentlichte. Parker war Anwalt, und zwar Verbraucher-Anwalt. Er hatte entdeckt, dass er Weine zutreffend beurteilen und sich ihre Besonderheiten merken konnte. Und er hatte feststellen können, dass die meisten Verbraucher keinen Überblick über die Weinwelt und die Qualität der Weine hatten. Das wollte er ändern. Er begann, Weine zu bewerten, und nutzte dafür ein Verfahren, das viele Amerikaner aus ihrer College-Zeit kannten: das 100-Punkte System. Keine zehn Jahre später war sein System einer von zwei weltweiten Branchenstandards für Weinbewertungen, und Robert M. Parker wurde zum internationalen Star der Weinwelt.

Bis zu 20 oder bis zu 100 Punkte

Heute werden Weine entweder in einem System bis zu 20 oder bis zu 100 Punkten bewertet. Eher selten werden 1 bis 5 Punkte, Sterne oder Ähnliches vergeben. 0 oder 50 Punkte gelten als untrinkbar, 10 oder 80 Punkte als sehr durchschnittlich, 15 bis 17 oder 85 bis 90 Punkte als gut, und alles von 17,5 bis 20 oder 91 bis 100 Punkten gilt als sehr gut bis vollkommen. 20 bzw. 100 Punkte werden immer noch recht selten vergeben. Allerdings geht die Tendenz im Laufe der Jahre immer stärker dahin, Weine ab 90 Punkten aufwärts zu bewerten, weil Bepunktungen unterhalb der 90 kaum noch wahrgenommen werden, obwohl es sich um gute Weine handeln könnte.

Welche Weinjurys und Kritiker gibt es überhaupt?

Im Prinzip begann alles mit dem erwähnten Robert M. Parker, der nach und nach einen ganzen Stab von Mitarbeitern beschäftigt hat. Dazu gehörten etwa Antonio Galloni für Kalifornien, Neal Martin für Bordeaux oder Jeb Dunnuck für die Rhône, aber die haben sich längst selbstständig gemacht. Bekannt sind heute im englischsprachigen Bereich James Suckling, Vinous, Wine Spectator oder The Wine Enthusiast. Dazu kommen Tim Atkin, Andreas Larsson oder Jeb Dunnuck, französischsprachige Medien wie La Revue du Vin de France oder Gilbert & Gaillard und natürlich länderspezifische Führer wie hierzulande der Eichelmann, Gault&Millau, Vinum, Falstaff, Weinwisser oder Der Feinschmecker.

Neben den Kritikern und Weinführern gibt es die Weinwettbewerbe, bei denen grosse Jurys ein- oder zweimal im Jahr mehrere Tausend Weine bewerten. Dazu gehören zum Beispiel die Berliner Wein Trophy, Mundus Vini, der Concours Mondial du Bruxelles, die International Wine Competition oder die Decanter World Wine Awards. Sie sorgen dafür, dass auch solche Weine mit Punkten ausgestattet werden, die nicht unbedingt auf den Tischen der Kritiker landen. Die können nämlich nicht alles bei Hunderttausenden von Weinen, die jährlich weltweit entstehen, überblicken und einordnen.

Die Spanien-Spezialisten

Manche Kritiker oder Weinführer sind bekannt als Spezialisten für bestimmte Regionen. Plattformen wie Robert M. Parkers The Wine Advocate haben dafür eigene Fachleute. Bei Parker ist es beispielsweise Luis Gutiérrez, der den Überblick über Spaniens wie auch Portugals Weinwelt hat. Die beiden bedeutendsten spanischen Weinführer sind der Guía Peñin und der Guía Proensa. Benannt ist der Guía Peñin nach seinem Gründer, dem Weinkritiker und Journalisten José Peñin. 1990 erschien der Weinführer zum ersten Mal, seit 2003 gibt es ihn auch auf Deutsch. Über 11.000 Weine werden für ihn jährlich verkostet, aber es werden nur Weine erwähnt, die mindestens 75 Punkte erhalten haben und daher als gut bewertet wurden. Zusätzlich gibt es Sterne. Drei Sterne bedeuten ein akzeptables, vier ein gutes und fünf Sterne ein exzellentes Preis-/Leistungsverhältnis. Der Guía Proensa kam 13 Jahre nach dem ersten Guía Peñin auf den Markt und ist ebenfalls nach seinem Gründer, dem Kritiker und Chefredakteur Andrés Proensa benannt. Während der Guía Peñin als eher neutral gilt, fliesst beim Guía Proensa der bevorzugte Weinstil des Gründers in die Bewertung mit ein.

Wie geht man mit den Punkten um?

Hier beginnt auch die Problematik bei der Punkte-Vergabe. Wie gehe ich als Verbraucher damit um? Sind die 95 Punkte der Decanter World Wine Awards genauso viel wert wie die des Guía Proensa oder die bei Robert Parker? Eigentlich kann man die Bepunktungen nur bedingt miteinander vergleichen, zu unterschiedlich sind die Beweggründe für die Bewertungen. Viel interessanter ist es unserer Meinung nach, zu schauen, wie die Weine belobigt wurden und was die Kritiker zu ihnen geschrieben haben. Erst dann bekommt man eine Ahnung davon, ob der jeweilige Wein zum eigenen Geschmack passen könnte – denn schliesslich ist der ja entscheidend.

Nicht nur die Profis, auch engagierte Laien sind wichtig

Wer sich etwas intensiver nach Stimmen, Belobigungen oder Bepunktungen umschaut, wird irgendwann auf den CellarTracker stossen. Auf dieser Plattform findet sich eine schier unendliche Anzahl von Weinbewertungen. Es werden zwar viele Kritikerstimmen eingefangen, vor allem aber jene von engagierten Weinliebhabern, die ihre Meinung zu den jeweiligen Weinen kundtun. Diese Charakterisierungen können oftmals genauso hilfreich sein wie jene der Profis, zumal sie überwiegend unabhängig entstanden sein dürften.

Fazit

Bewertungen und Bepunktungen sind relativ. Wenn man Weine nur nach ihrer Bepunktung erwirbt, werden einem sicher viele interessante Weine entgehen, weil sie nie bepunktet wurden. Anderseits sind die Bewertungen, vor allem ihre Begründungen, oftmals hilfreich für eine Orientierung. Vor Jahrzehnten gab es nur sehr wenige Weinkritiker, und die Menge an Bewertungen war noch sehr übersichtlich. Heute muss man sich erst einmal einen Überblick verschaffen und herausfinden, welche Kritiker, Weinführer oder Magazine zum eigenen Weingeschmack passen.