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Die Rolle der Klöster im spanischen Weinbau

Wussten Sie, wie entscheidend der Einfluss der Klöster im Laufe der letzten 1200 Jahre auf den Weinbau in Spanien war?

Veröffentlicht am 29. Oktober 2020
Wie in den meisten Anrainerstaaten des Mittelmeers dürfte der Weinbau von griechischen Stämmen, Keltiberern und später von den Römern auf der Iberischen Halbinsel betrieben worden sein und sich dort etabliert haben. Doch die ersten dokumentarisch festgehaltenen Hinweise stammen aus frühmittelalterlichen Handschriften. Ab dem 9. Jahrhundert wurden die Klöster zum Dreh- und Angelpunkt des Weinbaus auf der Iberischen Halbinsel

Frühe Zeugnisse klösterlichen Weinbaus in Nord- und Ostspanien

Der Weinbau in Spanien hat seine Bedeutung ganz wesentlich dadurch erlangt, dass Santiago de Compostela sehr früh ein bedeutender Wallfahrtsort wurde, der er bis heute geblieben ist. Das hing damals vor allem damit zusammen, dass der Süden der Halbinsel von den Mauren erobert worden war und ganz Europa um so stärker auf den Norden und den Osten Spaniens setzte, wo viele Klöster gegründet wurden. Diese Klöster spielten bald eine wichtige Rolle, und das sowohl in der Politik wie in der Bildung und auch im wirtschaftlichen Bereich, zu dem der Weinbau gehört. Brot und Wein waren für die Klöster wegen der Messfeier wichtig, weil sie den Leib und das Blut Christi symbolisieren. Auch setzte sich der Wein zunehmend als Alltagsgetränk durch, da es oft kein sauberes Wasser gab.

In Galicien, im Nordwesten Spaniens, konnte sich eine eigene Weinkultur entwickeln. Im Kloster San Beato de Liébana wurde ein wichtiges mittelalterliches Dokument aus dem Jahr 772 n. Chr. gefunden, das eine Weinlese darstellt. In der Rioja stammt der erste bisher gefundene Hinweis auf Weinbau aus dem Jahre 873 n. Chr. Er wurde verfasst vom Notar von San Millán und befasst sich mit einer Schenkung an das Kloster San Andrés de Trepeana in Treviana.

Wegen der Pilgerrouten nach Santiago de Compostela widmeten sich immer mehr Klöster im Norden Spaniens dem Weinbau; denn die Pilgerrouten führten durch die Rioja, Navarra und Galicien, und die Pilger mussten versorgt werden. Im Jahr 1102 erkannte König Sancho I. die Weine aus der Rioja offiziell an, obwohl die Rioja erst 1352 als Weinbaugebiet ausgewiesen wurde. Die Stadt Logroño in der Rioja lag auf dem Hauptpilgerweg und erlebte einen wirtschaftlichen Wohlstand.

Der Weinbau im Süden wurde mit der Reconquista wiederbelebt

Mit der sogenannten Reconquista, also der Rückeroberung von al-Andalus durch christliche Heere um das Jahr 1000, breiteten sich die Klöster auch in den Süden aus. Bis zum 12. Jahrhundert waren auf der Halbinsel allein 129 Zisterzienser-Klöster entstanden. Die Zisterzienser hatten Weinbau im französischen Burgund betrieben und ihn verfeinert. Sie beeinflussten den Weinbau in ganz Europa. In Deutschland stand das Kloster Eberbach für ihre Kunst des Weinbaus, in Spanien etwa die Klöster Oia (Rías Baíxas) oder La Santa Espina bei Valladolid. Auch Valencia und Alicante konnten ihre lange Weinbautradition aus vorrömischer und römischer Zeit nach der Reconquista wieder aufnehmen. Jaume Roig (1460) beschreibt die Sorten Monastrell, Bobal, Ferrandella und Negrella (Garnacha), die in den Hügeln von Valencia und im Hinterland angebaut wurden. In dieser Zeit erfolgte auch der Anbau der Malvasia, die aus Griechenland in Valencia eingeführt wurde. Viele der Weinberge liegen bis heute im Hinterland, in der spanischen Levante, zu der Gebiete wie Yecla, Jumilla und Bullas gehören.

Die Zisterzienserklöster wurden zu Innovationstreibern im Weinbau; denn die Mönche beachteten all das, was heute auch Grundlage eines guten Weinbaus ist: Die Wahl des richtigen Standortes, die Auswahl geeigneter Rebsorten, Mengenbegrenzungen und schonender Ausbau.

Der Priorat wurde nach einem Kloster benannt

Auch Weinbaugebiete wie der Priorat oder die Costers del Segre sind ohne Klöster kaum vorstellbar. Das Weinbaugebiet Priorat ist sogar nach einem Kloster benannt, nämlich nach der Abtei Priorato de Scala Dei, zu Deutsch Priorat (ein von einem Prior geleiteter monastischer Konvent) der Himmelsleiter, die 1163 von Kartäusermönchen gegründet worden war. Ein Hirtenjunge wollte damals gesehen haben, dass Engel eine Himmelsleiter hinabgestiegen seien, und genau an diesem Platz wurde der Grundstein für eine 700-jährige Klostergeschichte gelegt, die bis zum Weggang der Mönche eng mit dem Weinbau verknüpft war. Bevor die letzten Mönche das Kloster verliessen, gab es rund 17.000 Hektar Weinberge (heute rund 2.500 ha), und der Priorat war eines der bedeutendsten Anbaugebiete Spaniens. Als nach dem Weggang der Mönche die Reblaus kam und die Weinberge vernichtete, fiel das Gebiet fast vollständig dem Vergessen anheim, bis es Ende der 1980er Jahre von jungen engagierten Winzerinnen und Winzern wiederentdeckt wurde. Auch die Costers del Segre, wie der Priorat in Katalonien gelegen, verdanken den Weinbau im Wesentlichen den Mönchen. Eine kleine Gruppe von ihnen verlies im Jahr 1770 das berühmte Kloster Montserrat, um im entlegenen Desterrat eine Klause zu gründen und Busse zu tun. Schnell stellten sie fest, dass die raue Gegend sich ausgezeichnet für den Weinbau eignete. Nach einer Legende soll der Erzengel Gabriel den Mönchen mehrere Fässer mit Wein entwendet und in den Himmel transportiert haben, um die Heerscharen der Engel zu beglücken.

Fazit

Auch wenn dies eine Legende ist, so ist der immense Einfluss der Klöster auf den Weinbau doch ein Faktum. Er ist in Frankreich wie in Deutschland und Österreich offensichtlich, am stärksten aber wohl auf der katholisch geprägten Iberischen Halbinsel. Kaum irgendwo sonst haben die Klöster eine solche Bedeutung gehabt wie dort. Das hängt auch mit den Weiten der Hochebenen zusammen, wo die Klöster oftmals Fixpunkte waren, weil es dort kaum grössere Städte gab. Kein Wunder also, dass auch heute noch sehr viele Weingüter Namen von Klöstern haben; denn viele der säkularisierten Klöster sind heute bedeutende Weingüter. Mönche hatten im Mittelalter oft den richtigen Riecher für die besten Terroirs für Wein.